Doppelte Flächennutzung mit Agri-Photovoltaik
Synthese von Landwirtschaft und Energieerzeugung
Wer Agri-Photovoltaik planen möchte, sollte sich mit den wichtigsten Randbedingungen für ein solches Projekt auseinandersetzen. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen Informationen, Hintergründe und Details für die Planung, Genehmigung und Technik einer Agri-Photovoltaik Anlage geben. Welche planrisch-rechtlichen Grundlagen müssen eingehalten werden? Was gilt es grundsätzlich bei der Projektentwicklung zu beachten? Welche Technik ist geeignet und wie können Agri-Photovoltaik-Projekte erfolgreich realisiert werden? Wir versuchen Antworten auf diese und weitere Fragen in diesem Beitrag zu geben!
Doppelte Flächennutzung
Agri-Photovoltaik ist eine Solar-Technologie, die die doppelte / gleichzeitige Flächennutzung von landwirtschaftlichen Flächen ermöglicht. Die doppelte Flächennutzung entsteht einerseits durch die energetische Nutzung mittels Solarmodulen und andererseits durch die landwirtschaftliche Nutzung auf der gleichen Flächen. Damit diese Doppelnutzung möglich wird, werden die Solarmodule entweder höher aufgeständert (in diesem Fall findet die landwirtschaftliche Nutzung unterhalb der Solarmodule statt) oder die Solarmodule werden vertikal aufgestellt (in diesem Fall wird die landiwrtschaftliche Nutzung zwischen den Solarmodulen betrieben).
Das Ergebnis ist eine gemeinsame, synergetische Nutzung von Energie- und Nahrungsmittelproduktion auf der gleichen Fläche! In Zeiten, in denen Land eine sehr knappe Ressource ist, ein sehr erfolgsversprechender Weg, der noch weitere, zusätzliche Vorteile bietet. Beispielsweise hinsichtlich des Pflanzenwachstums in sehr trockenen Jahren, da durch Agri-Photovoltaik u.a. Abschattungseffekte nutzbar sind, die die Wasserspeicherung im Boden positiv beeinflussen.
Planung und Genehmigung
Was gilt es zu beachten?
Bei der Planung von Agri-Photovoltaik sollten zunächst die wichtigsten Standortfragen und die Genehmigungsfähigkeit geprüft werden. Damit sind u.a. folgende Fragen gemeint: Sind die Flächen grundsätzlich geeignet für die Installation von Agri-PV und den gleichzeitigen landwirtschaftlichen Anbau? Wo ist der mögliche Netzverknüpfungspunkt? Kann realistisch mit einer Genehmigung gerechnet werden? Ist das Projekt wirtschaftlich zu betreiben?
Wichtig ist ebenfalls zu wissen: Bei Agri-Photovoltaik steht die Landwirtschaft im Mittelpunkt! Das heißt: Es müssen diverse Kriterien erfüllt sein, damit eine Anlage auch als Agri-Photovoltaik anerkannt wird. Hierzu gehören die folgenden vier Punkte:
- Landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen ist Voraussetzung
- Sicherung / Bereitstellung der Flächen für die kombinierte Nutzung ist möglich
- Installation eines geeigneten Agri-PV-Systems muss erfolgen
- Betrieb des Agri-PV-Systems (bestehend aus landwirtschaftlicher Nutzung und Stromerzeugung)
In der Konsequenz bedeuten diese Anforderungen: Um den Status einer Agri-Photovoltaik-Anlage zu erhalten ist im Grunde immer ein landwirtschaftlicher Betrieb einzubeziehen, der die landwirtschaftliche Nutzung sicherstellen kann. Hierbei muss ein landwirtschaftliches Nutzungskonzept hinterlegt werden, das die folgenden Punkte beinhaltet:
- Zertifiziertes Landnutzungskonzept
- Pflanzenproduktion und Form der Landnutzung für drei Jahre
- Berechnung des Verlustes landwirtschaftlicher Nutzfläche
- Technische Details zur Agri-Photovoltaik-Anlage (Größe, Form, etc.)
Welche Flächen sind geeignet bzw. genehmigungsfähig?
Privilegierung, Bauleitplanung, Genehmigung
Seit dem 07. Juli 2023 ist die bereits seit längerem angekündigte Privilegierung von Agri-Photovoltaik-Anlagen in Kraft getreten (Baugesetzbuch §35 Absatz 1, Ziffer 9). Diese besagt, dass Agri-Photovoltaik bis 2,5 ha dann als privilegiertes Bauvorhaben zu bewerten sind, wenn diese in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem im Außenbereich privilegierten Betrieb der Landwirtschaft, des Forsts oder des Gartenbaus errichtet werden.
Das heißt in der Folge: Ein Bauantrag für eine kleine Agri-Photovoltaik-Anlage bis 2,5 ha kann unter den vorgenannten Voraussetzungen ohne vorherige Aufstellung eines Bebauungsplanes bewilligt werden. Die Baugenehmigung kann somit direkt eingereicht werden. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass hinsichtlich der beizubringenden Gutachten die gleichen Anforderungen gelten, die auch bei größeren Anlagen zu berücksichtigen sind.
Wenn eine Agri-PV-Anlage größer als 2,5 ha werden soll, ist der Gang durch die Bauleitplanung notwendig. Das bedeutet: Hier ist ein Bauleitverfahren bei der jeweiligen Gemeinde erforderlich, das ggf. eine Änderung des Flächennutzungsplanes mit sich bringt, um einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Hierfür wird in der Regel zunächst eine Projektskizze eingereicht, die bei positiver Abstimmung durch den Gemeinderat die Grundlage für die weiteren Schritte ist.
Vom Planentwurf zum Aufstellungsbeschluss zur Genehmigung
Nach erfolgter positiver Abstimmung zur Projektskizze wird ein konkreter Planentwurf bei der Gemeinde eingereicht. Dieser kann von Behörden und der Öffentlichkeit kommentiert und ggf. mit Änderungsvorschlägen hinterlegt werden. Diese führen bei Bedarf zu Änderungen / Anpassungen der bisherigen Planungen. Der überarbeitete Planungsentwurf wird dann als Entwurf des Bauleitplans mit der Möglichkeit veröffentlicht, innerhalb von 30 Tagen nochmals Änderungen einzureichen.
Wenn diese Frist abgelaufen ist und die Änderungen vorgenommen wurden, kann mit Zustimmung des Gemeinderats ein Aufstellungsbeschluss erteilt werden und das Genehmigungsverfahren für die Agri-Photovoltaik-Anlage beginnen. Wichtige Empfehlung für das gesamte Verfahren: Gehen Sie in einen frühzeitigen und kontinuierlichen Dialog mit den beteiligten Behörden. Das hilft ungemein für einen erfolgreichen Projektverlauf!
Im Rahmen des Genehmigungsprozesses werden diverse Gutachten notwendig. Dieses können unter anderem artenschutzrechtliche Gutachten, landschaftspflegerische Begleitpläne oder auch Blendgutachten (zur Bewertung der Sonnenreflexion) sein. Um den Natureingriff durch die Agri-Photovoltaik-Anlage zu kompensieren, werden in der Regel Kompensationsmaßnahmen wie das Anlegen von Blühstreifen, Hecken, Bäumen oder Steinhaufen von den Behörden angeordnet.
Technik von Agri-Photovoltaik
Konzepte und Systeme
Neben dem für Agri-Photovoltaik elementaren landwirtschaftlichen Nutzungskonzept sind weitere, technisch-konzeptionelle Anforderungen zu beachten. Hierzu gehört beispielsweise die Anforderung, dass nach der Errichtung der Agri-Photovoltaik-Anlage noch 2/3 des bisherigen mittleren Flächenertrages einer Pflanzenkultur erreicht werden muss. Um dieses Ziel zu erreichen, sind für die Wahl des passenden technischen Agri-Photovoltaik-Systems im Wesentlichen zwei Parameter entscheidend:
- Welche landwirtschaftlichen Kulturen sollen angebaut werden?
- Welche Maschinen kommen bei der Bearbeitung zum Einsatz?
Grundsätzlich unterscheiden wir diesbezüglich zwei verschiedene Agri-PV-Systeme: bodennahe Systeme und hoch aufgeständerte Systeme (mindestens lichte Höhe von 2,10 m). Dabei dürfen bei bodennahen Systemen maximal 15% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verloren gehen, während es bei den hoch aufgeständerten Systemen nur 10% sein dürfen. Wenn diese Werte erreicht werden, kann die GAP-Prämie über 85 Prozent auf einer Agri-Photovoltaik-Fläche angesetzt werden.
Bodennahe und hoch aufgeständerte Systeme
Bei bodennaher Agri-PV werden die Solarmodule zumeist vertikal oder schräg in Reihen aufgeständert, so dass die landwirtschaftliche Nutzung zwischen den Solarmodulen stattfindet. Demgegenüber werden die Solarmodule bei hochaufgeständerten Agri-PV-Systemen über den landwirtschaftlichen Nutzpflanzen positioniert, so dass die landwirtschaftliche Nutzung unter den Solarmodulen erfolgt. Je nach Projekt, Standort und landwirtschaftlicher Nutzung bieten die beiden Systeme folgende Vorteile:
Vorteil Bodennahe Systeme | Vorteil Hoch aufgeständerte Systeme |
Eignung für Ackerbau (Getreide, Raps, Kartoffeln, etc.) | Eignung für Obst (Äpfel, Birnen) oder Beeren (Erdbeere, Himbeere) |
Schutz vor Bodenerosion und Windeinflüssen | Pflanzen werden vor Witterung geschützt (Hagel, Starkwind, etc.) |
Regenwasser kann gesammelt werden | Hohe Effizienz der Flächennutzung |
Abschattung verringert Verdunstung und senkt Wasserbedarf | Sehr geringer Wasserbedarf durch weniger Verdunstung |
Bei beiden Systemen können sowohl monofaziale und bifaziale Systeme geeignet sein. Die Frage, welches System hier die geeignete Wahl ist, hängt entscheidend davon ab, ob mit einer hohen Rückstrahlung auf die Rückseite der module gerechnet werden kann. Darüber hinaus kann überlegt werden, ob halbtransparente Solarmodule eingesetzt werden, die mehr Sonnenstrahlung durchlassen, was für Pflanzen mit hohem Lichtbedarf ein Vorteil ist. Weitere Informationen zu den von uns verwendeten Solarmodulen haben wir Ihnen hier zusammengetragen: Solarmodule von FAVEOS!
Eine interessante Perspektive
Zusammenfassend bieten Agri-Photovoltaik-Projekte sehr interessante Perspektiven, da sie eine hohe Flächenproduktivität aufweisen (Energie- sowie Nahrungsmittelproduktion) und zusätzliche Einnahmen durch die Stromproduktion ermöglichen. Allerdings ist jeder Standort individuell im Hinblick u.a. auf die Genehmigungsfähigkeit, das landwirtschaftliche Nutzungskonzept, die Netzanschlussbedingungen sowie die technischen Rahmenbedingungen des Agri-Photovoltaik-Systems zu prüfen. Hieraus ergeben sich die für die Wirtschaftlichkeit des Standortes relevanten Rahmenbedingungen. Diese sollten in einer professionellen Wirtschaftlichkeitsanalyse zusammengeführt werden, um das Projekt auf sichere Beine zu stellen.
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